Wenn Kinder im Sandkasten oder Matsch spielen, lächeln wir oft und freuen uns darüber. Wenn es Erwachsene es tun, so würde es vielleicht eher ein Kopfschütteln erzeugen. Welchen Unterschied macht es, wenn dabei etwas gefunden wird? Sei es die vermisste Schaufel oder das Förmchen für den Sandkuchen – oder eine alte Tonscherbe? Für den Neubau des mehrgeschossigen Multifunktionshauses im Bereich zwischen der Holzhäuser Straße, Enge Gasse und dem Marktplatz wurde im September und Oktober 2019, nach dem Abriss des maroden Anbaus und Teilen des ehemaligen „coop“ von 1970, viel Erde bewegt. Dabei stießen die Bauarbeiter auf eine runde Steineinfassung. Wie Homberger Historiker schon immer vermuteten, sollte hier ein mittelalterlicher Brunnen existieren, der nun endlich wieder ans Tageslicht kam. Wir erinnern daran, dass die ersten historischen Überlieferungen über Homberg von 1162 stammen und im Jahre 1231 Homberg als Stadt beurkundet wurde. Bei vielen Bauarbeiten im Altstadtkern kamen zahlreiche historische Funde zutage: In den 1960er Jahren in der Stadtkirche, Mitte der 1990er Jahre am Pulverturm. Bei Kanalarbeiten an der Westheimer Straße wurden Reste des Westheimer Tors bzw. der abgetragenen Stadtmauer gefunden oder 2007 am Marktplatz ein möglicher Vorgängerbau des Rathauses und, nicht zu vergessen, die zahlreichen Grabungsfunde der Hohenburg.
Insgesamt konnten sogar drei Brunnen erfasst werden sowie Mauerreste, Gewölbekeller und Straßenpflaster. Mehrere Erdschichten zeugen von langer Nutzung, aber auch von einem Brand, den es hier im 13. Jahrhundert gegeben hat. Einer der Brunnen wurde bereits im 17. / 18. Jahrhundert aufgegeben und verfüllt. Bei den Ausgrabungen stießen die Archäologen auf unzählige kleine und große Fundstücke. Hinzu kamen Materialien für den Hausbau wie Dachziegel- oder Wandfragmente. Mit dem Erreichen der Brunnensohle durch stark eintretendes Wasser, zeitlicher Begrenzung der Ausgrabungsarbeiten oder dem Erreichen des Niveaus der geplanten Bausohle wurden die Arbeiten verschiedentlich eingestellt. Die Brunnensohle wurde dabei nicht erreicht. Alle Fundstücke wurden zur Reinigung, Prüfung und Katalogisierung in die Universität Marburg gebracht. Die umfangreiche, ausführliche Dokumentation der Grabungsarbeiten wurde vom Archäologenteam unter der Leitung von Dr. Thilo F. Warneke zusammengestellt und kann im Haus der Geschichte eingesehen werden. Einige Funde werden bereits im Haus der Geschichte ausgestellt. Eine erste Lieferung aus Marburg bestand aus zehn Umzugskisten, sie enthielten z.B. tausende Keramikscherben, zum Teil mit Verzierungen. Darüber hinaus befinden sich unter den Fundstücken auch eine große Anzahl glasierter Keramik, Glas von Fenstern oder Trinkgefäßen, Metall, Leder, Holz und Knochen. Die Brunnen wurden vor dem 12. Jahrhundert und wahrscheinlich bis zum 17. Jahrhundert genutzt.
Ein Team vom Haus der Geschichte um den Archäologen Dr. Thomas Lehmann, der u.a. Lehrer am Theodor-Heuss-Gymnasium in Homberg (Efze) ist, sichtete die Fundstücke.
Mit erstaunten Gesichtern prüften sie Karton um Karton, Beutel um Beutel und wählten für die Ausstellung mal eine Scherbe aus dem Mittelalter, dann ein Objekt aus dem 17. Jahrhundert aus. Bei einer Scherbe stutze der Fachmann: „Die ist … älter!“ Wie alt sie ist, wollten die umstehenden jetzt wissen. „400“ war seine Antwort. „Also aus dem 16./17. Jahrhundert?“ fragte man zurück. „Nein! … Etwa aus dem Jahr 400 … aber nach Christus!“ war seine Antwort. Ein deutliches Zeichen der frühzeitlichen Besiedlung des Raumes Homberg, das an einer historischen Haupthandelsstraße liegt.
Eine Auswahl der prägnantesten Fundstücke stellen wir hier vor: